Grundlagen einer Theorie des Formulierens. 
Textherstellung in geschriebener und gesprochener Sprache.

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Vorwort

  • Was tun wir, wenn wir "formulieren"?
  • An welchen Kriterien orientieren wir uns dabei?
  • Warum können Formulierungen als "präzis, breiig, unanständig, umständlich, hart" oder als "demagogisch" kommentiert und sanktioniert werden?
  • Wieso garantieren "geschliffene Formulierungen" nicht immer eine im Sinn des Sprechers oder Schreibers erfolgreiche Komunikation; genauso wie umgekehrt "mißglückte Formulierungen" nicht immer ein Scheitern kommunikativer Anstrengungen bedeuten müssen? -
  • Warum ist reflektiertes Formulieren "schwer" und selbst spontanes Formulieren mit so vielen grammatischen und textuellen Unzulänglichkeiten behaftet?
  • Warum treten bei der Herstellung von Texten 'Formulierungsprobleme' auf, deren Lösung bisweilen erst nach mehreren vergeblichen Versuchen zu einem akzeptablen Ergebnis führt?
  • Warum werden neue, nicht schon vorbereitete oder memorierte Texte - um es mit KLEIST zu sagen - erst während der "allmählichen Verfertigung" dieser Texte beim Reden oder Schreiben hergestellt? D.h. warum wird uns oft erst im Prozeß und durch den Prozeß der Textherstellung klar, was wir sagen wollen und wie wir es sagen wollen/können?
  • Warum wird manchmal "ins Unreine formuliert"?
  • Wie läßt sich eigentlich erklären, warum (verschiedene) muttersprachliche Sprecher oder Schreiber Texte unterschiedlich "gut" oder "schlecht" herstellen können? 


Diese und weitere Fragen sollen durch eine dezidiert sprachwissenschaftliche Theorie des Formulierens aufgeworfen und ansatzweise beantwortet werden. Gegenüber denkbaren (generativ-) grammatischen, (selektions-) stilistischen oder sprachpsychologischen Ansätzen geht eine sprachwissenschaftliche Produktionstheorie von der zentralen Annahme aus, daß "Formulieren" als eine Leistung zu betrachten ist. Diese Formulierungsleistung ist auf die Herstellung eines "als Text" und "im Text" konkretisierten Verständnisangebots gerichtet. Empirisch läßt sich dies an Verschriftungen von Tonbändern zeigen, die kollektiv durchgeführte Textherstellungen enthalten. Solche "Textherstellungstexte" belegen, daß "Formulieren" nicht nur etwas mit der "sprachlichen Form" oder mit der "sprachlichen Mittelwahl" zu tun hat, sondern insbesondere die allmähliche Klärung und "Generierung"von Formulierungszielen mit einschließt. 


Ziel einer Theorie des Formulierens ist die Rekonstruktion der Handlungsweise "Formulieren" durch eine Modellierung des Formulierungsprozesses und darin involviert die Spezifikation und Erklärung der im Textherstellungsprozeß sich konkretisierenden Formulierungsleistungen. Eine wichtige Voraussetzung dazu ist die handlungstheoretische Präzisierung des Begriffs "Herstellungs-Handlung" mit Hilfe der aristotelischen 'Praxis/Poiesis'-Dichotomie. Damit wird es möglich, konkrete sprachliche Ausdrucksmittel nicht nur als Realisate, sondern auch als Resultate einer Herstellungs-Handlung zu beschreiben. Darauf aufbauend wird die Erklärung und Spezifikation der bei der Textherstellung erforderlichen Formulierungsleistung unter Verwendung eines aus der kognitiven Psychologie adaptierten Modells des 'dialektischen Problemlösens' (DÖRNER) versucht. 


Mit der Modellierung von "Formulieren als Problemlösen" gelingt es u.a., Textherstellen als sukzessives Lösen von Formulierungsproblemen und konkrete Texte als komplexes Lösungsresultat dieser Formulierungsprobleme zu beschreiben. 'Formulierungsprobleme' werden dabei als sprecher/schreiberseitig lösbare Konmunikationsprobleme aufgefaßt.


Die Bestimmung von "Formulieren als Problemlösen" führt zu der weitreichenden, sprachphilosophischen Konsequenz, daß der homo loquens nicht nur als ein regelgeleiteter, sondern - sofern er innovatorisch Texte herstellt - als ein problemlösender Mensch zu modellieren ist. Mit diesem Problemlöse-Paradigma gelingt es auch, "Fonnulieren" und d.h. Textherstellen als eine schöpferische Handlungsweise und Texte als Resultate dieser schöpferischen Handlungsweise zu beschreiben. [...] 

Gewidmet ist sie meiner Mutter und meinem "Henmadschwengalla", dem ich eh für Geduld und Liebe besonders danke.
Saarbrücken, im Herbst 1981 Gerd Antos

(teilweise gekürzt)

Antos, Gerd (1982): Grundlagen einer Theorie des Formulierens: Textherstellung in geschriebener u. gesprochener Sprache. Tübingen: Niemeyer [Reihe germanistische Linguistik; 39].

 

Deutsche Nationalbibliothek

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